Das ist kein Risotto:Obwohl, eigentlich doch: Zwiebeln, Kartoffeln, alles da! Oder – jetzt weiß ich’s: die Suppe fehlt!
Ich genieße es, DIE ZEIT lesen zu können, das Magazin ist das erste was ich lese, zuerst den Martenstein und dann den Wochenmarkt. In letzterem werden immer wieder saisonale Rezepte aus allerlei Ländern (die vom Außerfern oft weit weg sind) vorgestellt, meist wird auch erklärt, was das Wesen eines jeweiligen Gerichts ist – zuletzt haben wir Shakshuka und Caponata jeweils als Sonntag-Vormittags-Brunch kennen- und liebengelernt.Die heutige Beilage erläutert ein Gericht, das ich nicht kenne, ganz sicher kochen werde, aber ganz bestimmt niemals so nennen werde. Ich schaff das nicht. Es sträubt sich alles in mir.
Ein Risotto ist ein Risotto ist ein Risotto. Besteht aus Reis. Nona (dass manchmal schlichter Gemüsereis als Risotto betrachtet wird lassen wir einmal aus: da ist ja Reisfleisch noch eher ein Risotto). Aber etwas, das aus Gerste gekocht wird oder aus Kartoffeln ist KEIN Risotto. Es gibt kein Graupenrisotto (Zeit) genausowenig wie ein Kartoffelrisotto (Tim Mälzer). Und ein Thunfisch-Brathuhn gibt es genauso wenig (OK, das hab ich jetzt erfunden).
Aber das ist ja schon lange lifestylig: die unzähligen Carpaccios, die aus Gurken (grün!), Champignons, Steinpilzen (braun!) und was sonst noch gekocht werden, konzentrieren sich auf den Aspekt: dünn geschnitten und Öl drüber, ignorieren aber völlig die (angebliche) Geschichte dieses Gerichts. Danach ist ein Carpaccio auf jeden Fall rot. Also meinetwegen Tomatencarpaccio (ist halt fast Caprese), Paprikacarpaccio, Rohnencarpaccio, Erdbeercarpaccio (schmeckt garantiert auch nicht schlecht!). Aber NIEMALS etwas andersfarbiges.
Ja, ja, typisch Oberlehrer, hör ich jetzt manche grummeln, und von mir aus: nennt das Zeug wie ihr wollt, obwohl ich kreativeren Varianten wie Patotto (Kartoffel-“Risotto”), Orzotto (klingt gscheit italienisch und tät halt auch stimmen) viel mehr zugeneigt bin.
Aber ihr könnt natürlich auch die Kochwelt verbichseln und wenn man’s lange genug tut und möglichst viele es tun führt die sprachnormative Kraft des Faktischen zu automatischer Anerkennung im Duden (Spezialwörterbuch Kochen).
Ich mach mir jetzt einen Hopfenchampagner auf und denk über das Mittagessen nach: vielleicht ein Graukas-Carpaccio und danach eine Zwiebelsuppe – Pardon: Wasser-Risotto. Prost!