Archiv für das Jahr: 2018

Zwei Pilgerschwestern mitten im Leben

Eine Begegnung in Rom war der Anlass, mich auf die Suche nach einem bestimmten Foto zu machen. Unmöglich es zu finden, jedoch habe ich bei der Durchsicht all meiner Alben und Tagebücher die nachfolgenden Bilder entdeckt(= finden, was man gar nicht gesucht hat).

Sie haben mich sehr berührt und plötzlich lag da dieser rote, pulsierende Faden der Verbundenheit seit Jahrzehnten.

Seit diesem Moment geistert mir dieser Beitrag durch Herz und Kopf. Zahlreiche Überlegungen alleine bezüglich der Überschrift:

Die schrulligen Schwestern
Pilgerschwestern vor dem Herrn
Wenn man im Leben eine Schwester geschenkt bekommt

Was soll ich jetzt noch schreiben?
Erzählen die Fotos doch schon so viel.
Viele Höhen des Lebens haben wir miteinander erklommen.
Und viele Tiefen( hoffentlich endlich ALLE) miteinander durchtaucht. Der Beitrag ist für uns zwei, Claudia.
Möge er uns immer daran erinnern, dass wir TROTZ all den Tiefen und all der Unbill, die das Leben für uns bereit hatte, immer noch MITTEN DRIN SIND. ULTREIA!

Viele Wege führen nach Rom

Die Route abseits der Autobahn versprach eine reizvolle Strecke — und keine Hektik: am Vorabend hatten wir in dunkler Nacht eine durchgehende Lichterkette auf der Autobahn Richtung Rom rauschen sehen — das wollten wir auf keinen Fall. Also: wir fahren entlang der Via Cassia.

Der Beginn der Fahrt, am Vormittag, entlang am Bolsena-See war uns noch bekannt, dann aber war alles Neuland. Nach Montefiascone bogen wir ab um Viterbo zu umfahren: das gelang, allerdings auf abenteuerlichsten Straßen! Manchmal, wie so oft auch in der Toskana, fühlte man sich mitten in der Wildnis: nur Gestrüpp, Bäume, weit und breit keine Behausung — und bergige Höhen, die wir hinauf- und wieder hinunterfuhren. Den ersten kleinen See, ein Naturschutzgebiet, sahen wir nur durch Bäume hindurch ein bisschen entfernt liegen: den Lago di Vico.

Über Ronciglione und Sutri ging es zum zweiten kleinen See — dem Lago die Bracciano: ein Ort, der so einladend wirkt, dass wir da sicher noch einmal hinfahren werden: ein Badeort mit einem unter Naturschutz stehenden See – eine lange Promenade. Als wir den See verlassen und Richtung Rom weiterfahren wollen, es ist etwa Mittag, springt plötzlich von links ein paar Meter vor uns ein Wildschwein auf die Fahrbahn — mit rasendem Galopp quer drüber — Angelika kann am Rain entlang der Straße noch einen kleinen Frischling und ein weiteres großes Schwein erkennen! Vollkommen überrascht sind wir nur fasziniert, und beglückt, dass diese Überquerung offensichtlich für die Familie gut gegangen ist, beim Zurückschauen sehen wir ein paar Männer am Feldrand, die die Szene ebenfalls gesehen haben.

Dann ist das Ziel nur mehr Rom: wir wissen, dass wir schließlich über die Via Flaminia unser Ziel erreichen werden, ankommend über die Giustiniana. Nach dem See erwartet uns zuerst noch Hügelland mit kleinsten Örtchen (einmal finden wir das Schild “Roma” nur durch eine kleine, einspurige Gasse), dann aber wird alles weiter und weiter, der Verkehr hält sich in Grenzen, aber die Straßen werden breiter und dann merkt man schon, dass Rom auf Hügeln erbaut wurde.

Orvieto, am Gründonnerstag 2018

So war der Plan: den Gründonnerstag wollten wir in Orvieto verbringen. Jener Tag, den ich liturgisch bis heute nicht aushalte.

Diese Verlassenheit von allen Menschen und Weggefährten und dieses Ausgeliefertsein im Garten der Todesangst.

Welcher Ort ist in der Lage, all diesen Schmerz aufzufangen? Orvieto.

Genau.

Anfänglich war es schon ein recht eigenartiges Gefühl nicht in die Stadt hineinzufahren, doch dann, beim Anblick dieses auf Fels gebauten Ortes- direkt vis-a-vis: wohltuend und beeindruckend wie immer.

Bei Nacht genauso anmutig wie bei Tag.

Der Besuch im Vinosus war dann doch sehr berührend.

Der inzwischen verstorbene Besitzer Luca, von dem es bis heute zahlreiche Erzählungen und wohl auch Legenden gibt, mitten in dem Gemälde vom letzten Abendmahl.

Die Worte von Fede, der uns damals bei der Wahl des Lokals für unsere Hochzeit behilflich war, klingen mir noch heute im Ohr.

Es ist ein ausgezeichnetes Lokal, aber der Besitzer ist verrückt.

So liebenswert können Verrückte sein.

Und so schön die Stadt, in der wir uns nach italienischem Recht das JA-Wort gegeben haben.

Cipollino, du fehlst schon recht

Dass ein Kater, der in den letzten Jahren gerade mal 1-2kg Lebendgewicht hatte, so fehlen kann. Das Haus ist um so viel leerer und manchmal wünsche ich mir, dass du mit deinem unnachahmlichen Gemaunze um die Ecke biegst.
Das mit den Tulpen hat nicht funktioniert. Die sind verfault. Daher hast du jetzt neue Blumen auf deinem Grabl. Und als Deko die Flasche Franciacorta aus Orta San Giulio.

Essen in der Trattoria Vinosus

Die letzten Male in Orvieto gehörte ein Besuch im Vinosus, wo wir unser Hochzeitsmahl hatten, einfach dazu.

Es war Mittag, für draußen zu kühl, daher das erste Mal innen, wo in einem kleinen Raum vielleicht acht Tische Platz finden. Wir waren die ersten, mit der Zeit kamen noch ein paar Gruppen dazu. Die Karte überschaubar, die Bedienung wie immer angenehm und kundig — die Weinempfehlung wunderbar.

Worauf wir Lust hatten und ein bisschen Neugier bestimmten die Auswahl: Angelika ein Kichererbsenpürree mit Garnele (sehr fein und zart), ich Sardellen, um Brotstäbe gewickelt, mit Broccoli (eine perfekte Kombination).

Danach nahm Angelika eine Bohnensuppe (drei verschiedene Bohnensorten, zum Niederknien) und als Hauptgang Cacio e Pepe (sehr gut, schafften wir auch zu zweit nicht mehr ganz; als Einstimmung auf Rom!). Ich traute mich über eine Taube — piccione all’orvietana, ein traditionelles Osteressen. Sehr intensiv, das Fleisch fast wie Wild, auch sehr dicht im Geschmack. Eine Nachspeise (Vin Santo mit einer herrlichen Creme und hausgemachten Keksen) war der krönende Abschluss.

Brennnessel-Suppe mit Muscheln

Unsere Brennnesseln schießen gerade in einem magischen Grün aus dem Boden, gerade handhoch sind sie, und daher perfekt für eine erste Ernte — später nehme ich dann nur mehr die obersten Triebe.

Die Suppe daraus, dieses Mal mit blauen Kartoffeln (schaut etwas gewagt aus),   ist eine gesunde, bekömmliche, herrlich schmeckende Wohltat.

Zu einem vollwertigen Abendessen wird sie mit etwas Zugabe: ich bin im Moment geradezu verrückt nach Muscheln (und alles aus dem Meer) und hab mich getraut: eine Handvoll ins Teller dazu (ich hatte geräucherte Austern aus der Dose; das aromatische Öl wer’s mag gleich auch noch dazu), ein paar Stücke meines schwarzen Vollkornbrots dazu. Als Ausgleich und Farbtupfer eine Viertel Chili in Scheiben. Göttlich!!

Dazu ein Viertel Pinot Grigio. Ja was will man denn mehr??

Mit Emma auf Reisen

Es waren wohl die jeweiligen Wesensarten, die dazu beigetragen haben, dass Emma und ich ein Team sind, Hermann und Vega das andere.

So auch auf unseren Reisen. Emma ist für mich nach wie vor ein Traum von einem Hund. Sie kann so vieles und versteht alles. Heuer hat sie das Wort ROMA gelernt.
Mit zwei Hunden an Ostern durch Rom zu flanieren bedeutet hunderte Menschen, einige Hunde und tausende Gerüche.

Mit dem Wort Roma ist ihr erstmals gelungen an der Leine zu gehen- sie hasst Leine gehen- ohne Zug zu machen.

Ein Traum. Ein Team.

Ein Dreamteam.

Eine Frau und eine Kamera

Zwei Hunde und kein Aschenbecher.

Mehr als eine Hand zuwenig.

Tiberinsel Ostern 2018.

Ein Meer an Brennnesseln

umrundet unsere zwei Imschter Ribiselstauden, die wir von Paula, Karl und Karin zur Hochzeit bekommen haben. Das wird ein Fest: Suppe und Spinat. Reinigend und entgiftend. Allein die Wirkkraft dieses jungen Grüns ist Augenweide und Heilung.

Die Schlehen verlangen

einen Einschub in der Berichterstattung unserer Osterreise. Ein Blütenmeer erscheint von einem Tag auf den anderen.

Laut Wissenschaftlern stimmt die Formulierung: explodieren. Mit 5 bar ( 2-facher Druck eines Autoreifens) springen sie ins Leben.

Ribisel und Stachelbeere setzen ihre Früchte an.

Das jährliche Wunder Frühling.

Borgo Pirolino

Dieses Mal wollten wir uns Orvieto aus der Umgebung anschauen — dass es so eine berauschende Aussicht werden würde, war ein Glücksfall.

Der sehr nette Vermieter wartete gerne auf unsere etwas spätere Ankunft und erklärte alle wichtigen Details unserer Unterkunft: ein kleines abgeschlossenes Häuschen, mit Wohnzimmer, Küche, Bad und Schlafzimmer mit einem kleinen Gärtchen davor. Das beste war aber die riesige Wiese im Anschluss an den Garten: weit hinunter reichte das Gras, unsere Hunde konnten laufen wann immer sie wollten. Am Ende dieser Wiese ist Orvieto zu sehen.

Die Küche war sogar mit einfachen Zutaten wie Öl und Salz ausgestattet, das Geschirr mehr als vollständig: wir konnten also gleich am ersten Abend, es war bald recht kühl, eine Kleinigkeit kochen!

Bei der Abreise, nahmen wir dann noch zwei Flaschen des selbst gemachten Olivenöls mit: 11 Euro verlangen sie und ich fragte nach: etwa 1,5 Liter Ertrag bringt die Ernte eines einzigen Baumes in guten Jahren — sie haben 400. Da ist dieser Preis schon wieder niedrig, wenn man an all die Arbeit denkt, die da dran steckt. Und: wenn man schmeckt, wie gut es ist!

Auf neuen und alten Wegen

Ein letzter Blick zurück auf San Galgano — auf nach Orvieto! In diesen Gegenden waren wir schon oft unterwegs, und so ist es auch eine Fahrt durch unsere Geschichte. Zuerst wurden wir von den Winden des Schicksals etwas abgetrieben (dafür kamen wir auch an der Crete Senesi vorbei), in Sinalunga schließlich setzten wir wieder auf Bekanntes: Nach Süden, an der Abfahrt nach Montepulciano vorbei, auf immer wieder bekannten hügeligen Wegen. Recht allein auf den guten Straßen sausen wir in der feinen Mittagssonne an Pienza vorbei, wo Federico und Ines geheiratet haben (und wir auch später schon waren), vorbei an den Bagni di Vignone bei San Quirico d’Orcia, wo wir in den Thermalquellen gelegen haben (das Orcia-Tal ist Unesco-Kulturerbe), vorbei an der Fortezza di Radicofani, wo der italienische Robin Hood gelebt hat (an der Via Francigena, mit herrlicher Aussicht), dann über Acquapendente und San Lorenzo Nuovo und San Giorgio dann plötzlich über die Hügel ins Tal hinunterfallend zu unserer Unterkunft: in der zweiten Kurve der Serpentinen, die nach Orvieto hinunter führen!

Warum sind wir eigentlich damals nach San Galgano?

An Ostern 2015 haben wir diese Abbazia das erste Mal besucht. Den Grund wissen wir beide nicht mehr. Damals waren wir im Chianti und von dort aus ist es schon einige Zeit zu fahren.
Während meiner langen Krankheit, in der es mir so ergangen ist, wie dem Mann mit dem Raben auf dem Bild von Siger Köder, ist mir eines unserer Fotos der damaligen Reise zu einem Heilungsbild geworden. Die Ähnlichkeit der Umrisse waren wohl der Auslöser dafür. Seit ich wieder in der Lage war auch nur darüber nachzudenken, dass wir vielleicht wieder einmal Richtung Süden fahren können, war dieser Wunsch: NOCH EINMAL NACH SAN GALGANO Halt, Hebstecken und Richtungsweiser.

Und jetzt bin ich wieder da.
Noch nicht ganz wieder hergestellt- aber da.

Es hat sich gelohnt, diesen weiten Weg auf uns zu nehmen, um an die Heilung und die Auferstehung erinnert zu werden und diese auch zu feiern.

Es erscheint mir wie ein Wunder.

Auch jetzt noch, im Nachhinein.

Danke Heiliger Galgano, der du das Schwert mit der Einkehr getauscht hast.

Mitten in den Weiten der Maremma: San Galgano

Ich mag diese Ruhe und diese Langsamkeit mit der wir uns abseits der Autostradas durch dieses Land bewegen. Wir haben auf all unseren Reisen durch Italien mehr Hügel, Bergstrassen und Pässe befahren als am Meer oder am Strand zu sein. Das Abgelegene, das Ursprüngliche hat es uns angetan. Bei der Routenplanung war eine Station von Anfang an klar: San Galgano. Schau mal nach, ob man dort auch übernachten kann. Gesagt und gebucht. Es war nur mehr ein Appartement frei, der Preis hat gepasst.

Auf den letzten Kilometern, wir waren inzwischen schon seit einiger Zeit allein auf der Strasse, war ich schon recht aufgeregt, ging doch ein Traum in Erfüllung: Wir werden diesen Ort nicht nur besuchen, wir werden dort auch übernachten.
Der freundliche Herr an der Rezeption, der seinen Dienst wegen uns verlängert hat, erledigte die Formalitäten und zeigte mir dann das gebuchte Zimmer im oberen Stock. Ich war sprachlos. Wir sind in einem Schloss gelandet. Großzügige, sehr geschmackvoll eingerichtete Räume. Ein riesiger Aufenthaltsraum mit Küche, zwei Schlafzimmer mit Doppelbetten, zwei Bäder.

Contenance Angelika, das lässt du dir jetzt gegenüber Hermann, der inzwischen das Auto geparkt und die Hunde versorgt hat, nicht anmerken. Diese Überraschung möchte ich auch ihm ohne Vorbereitung oder Vorwarnung überlassen. Gelungen. Einige Minuten später sind wir dann alle vier in unserer Unterkunft und können unser Glück kaum fassen.

Ja, in den Weiten der Maremma stehen eine verfallene Abbazia, ein Agriturismo und ein Ristorante. San Galgano.

San Galgano bei Nacht

Im Gasthaus waren außer uns noch ein, zwei Tische besetzt, als wir dann am Ende des Mahls auf den Vorplatz treten, sind wir ganz allein. Recht bald können wir die Hunde freilassen und uns ganz auf die Abbazia, ganz allein, inmitten der Nacht einlassen.

Erinnerungen an unseren letzten Besuch werden wieder lebendig: das Mittelschiff, mit dem Blick auf den Altar, die Seitenschiffe. Die imposanten Fenster an den Seiten und die grandiosen im Chor. Der Himmel über uns hat eine warme Dunkelheit, ein paar Wolken ziehen langsam durch, gleichzeitig fühlen wir uns geborgen und dem gesamten Weltenall gegenüber. Alles andere, alles außen, alles gestern, ist in diesem Moment nicht vorhanden. Nur jetzt, wir.