Archiv für den Tag: 4. Februar 2015

Wider der Vernunft- für das Leben

Es gibt Hühnerrassen, die als ausgezeichnete Brüter gelten. Zum Beispiel Seidenhühner!!! Jeder, der mit ihnen zu tun hat, weiß das. Sie werden gerne mit anderen Vögeln gehalten, um deren Eier auszubrüten. Sogar und speziell in der Falknerei. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sehen Brüten als ihre Bestimmung.

Wir haben ein paar Mädels, allen voran Afra, Little Miss Sunshine und Lotte, die alle paar Wochen brüten. Leer brüten. Wer damit konfrontiert ist, brütenden Hennen die Eier weg zu nehmen, weiß wie herzzerreißend ihre Schreie dabei sind. Zudem kann dieses Zu-oft-Brüten die Hennen schwächen. Letzte Woche ist dann etwas eingetreten, womit wir alle nie gerechnet haben. Unsere Anna, die ob ihrer Fähigkeit zu singen, nach DER Netrebko benannt wurde, hat zu brüten begonnen.

Zwei Hennen haben wir das Versprechen gegeben, wenn sie jemals brüten wollen, dann dürfen sie das auch. Berta und Anna. Berta hatte nie das Bedürfnis und Anna hat sich einige Jahre Zeit gelassen.

Jetzt war da zum einen das Versprechen und zum anderen die Sorge um die anderen drei, ob die je wieder aus ihrer Brüterei rauskommen. Nach einigen Überlegungen, von den Sommerferien rückgerechnet, die übrigen Reisepläne dazugelegt, war für mich die Entscheidung klar.

Jetzt galt es noch, mir Hermanns ergänzende Überlegungen abzuholen und einmal darüber zu schlafen. Die Anzahl der Eier – es sollten befruchtete sein – hat er (“ich hab gesehen, wie patschert die Hähne sind!”) mit vier je Henne angesetzt – ich hätt nur drei genommen. Hab ich damals gesagt.

Der Holzschupfen wurde umgestaltet und Brut- und Kükengerecht hergerichtet. Die Damen einzeln übersiedelt und dann kam der Moment ihnen die Eier unterzuschieben. Diese Blicke bleiben unvergesslich. Der Hals wurde schon recht lang und der Schnabel bereit, diesen Schrei auszustoßen. Ich habe ihnen die Eier ganz nah an den Körper gehalten und dann war da diese Bewegung des ganz weich und breit auf die Eier niedersinken, begleitet von diesem zufriedenen Gurren. ALLES IST GUT.

19 Eier liegen unter vier Damen. Selig sitzen sie und trauen mir langsam wieder, wenn ich sie streichle, dass sie ihre kostbaren Eier behalten dürfen.

Manchmal entscheiden wir uns wider die Vernunft, aber hoffentlich für das Leben.

Sophia

Es gibt so Geschichten, die uns passieren, da ringe ich immer eine Weile, ob ich sie an diesem Ort niederschreibe. Wenn wir unser Hausbuch weiterhin, so wie früher, mit der Hand in schön gestaltete Bücher schreiben würden, dann hätten wir diese Geschichte aufgeschrieben.
Da dieser Ort, wenn auch öffentlich, weiterhin ein Hausbuch zum Nachschauen sein soll, bekommt diese Geschichte jetzt hier ihren Platz.
Allen langjährigen Bloglesern kommt dieses Gefieder sehr bekannt vor. Zwei wunderschöne federfüßige Gartenzwerge waren einmal Teil unserer Schar. Ihre einmalige Schönheit war der Grund für die Namen, die wir ihnen gaben: GINA (Lollobrigida) und SOPHIA (Loren).
Es ist ungefähr eineinhalb Jahre her, es war der Beginn der Sommerferien, jener Sommerferien, in denen wir 20 Küken hatten. Ich war schon am Einschlafen, da kam mir in den Sinn, dass ich Sophia heute nicht auf ihrem Platz auf der Kotstange gesehen habe.
Also wieder raus aus den Federn und mit der Stirnlampe in den Stall. Nein, sie war nicht da. Wir haben gesucht und gerufen und geputtet. Nichts. Am nächsten Tag wieder am gesamten Grund und in jeder Ecke Nachschau gehalten. Nichts. Auch rund um unseren Grund. Nichts. Wir haben keine Anzeichen eines Kampfes gefunden. Sie war einfach nicht mehr da. Vielleicht ist sie irgendwo brüten und kommt nach einiger Zeit mit ihren Küken wieder. Solche Geschichten hört man immer wieder. Ich habe gewartet, Tage gezählt, immer wieder einmal ihren Namen gerufen und gewartet.
Irgendwann habe ich dann die Hoffnung aufgegeben und ihren Namen auf die Ahnentafel geschrieben. Aber über all die Monate war da immer wieder einmal der Gedanke: IRGENDWANN FINDE ICH SIE.
Am Wochenende war Aufräumen im Schupfele angesagt. Holz- und Heubehälter sollen langsam leer werden, um Platz für Neues zu schaffen. Ganz unten in der hintersten Ecke habe ich dann den ausgetrockneten Körper von Sophia gefunden. Jede Feder ist noch dran. Daneben lag ein Ei.
Wie sie dahin gekommen ist und warum sie nicht gerufen oder geschrien hat und Hennen können bei Gott schreien, werde ich wohl nie erfahren. Es hat mich traurig gemacht, dass es manchmal, so hat es den Anschein, mit verkehrten Dingen zugeht. Jetzt bekommt sie mit ihrem Ei einen würdigen letzten Ruheplatz.