“Im Fasten schwelgen – also doch nicht fasten!” — schreibt Herlinde als Kommentar zu Angelikas erstem Bericht: und das trifft den Punkt genau. Und auch nicht. Der Reihe nach — dazu muss ich ein bisschen erzählen.
Über das Fasten
Die F. X. Mayr-Kuren
Vor einigen Jahrzehnten machte ich mit unserem Arzt eine F. X.-Mayr-Kur, mit allem Drum und Dran: mit Vor- und Nachuntersuchung, Vorkur (Teefasten, 1 Woche), Milch-Semmeldiät (1-2 Wochen), Ausleitung, während der Kur Bauchmassagen, Leberwickel. Das volle Programm. Mit vollem Erfolg. Ich fühlte mich schon während der Kur (bis auf die ersten zwei Tage) gut und immer besser und das hielt auch noch lange danach an. Die größte Überraschung aber waren nicht etwa die versprochene Verbesserung/Wiederherstellung eines wunderbaren Körpergefühls und Schlafverhaltens, eine neu entdeckte Empfänglichkeit für Gerüche und Geschmäcker oder ein paar verlorene Kilos (die ich aber wieder gefunden habe!).
Geist und Seele beginnen zu fliegen
Der für mich größte Gewinn war die geistige und seelische Veränderung: während des Fastens erlebte ich eine fast überirdische Leichtigkeit, eine besinnliche bis heiter-fliegende Gestimmtheit, das Gefühl, eine Energiequelle anzapfen zu können, die verschüttet war. In diesen Tagen und Nächten nahm ich Verbindung mit einer Version von mir auf, die ich sehr mochte, und die fröhlich, optimistisch und anpackend neugierig nach Innen und nach Draußen schauen konnte und das auch von Herzen wollte.
Sanft zu mir selbst
Natürlich wollte ich das wiederholen und machte, nicht jedes Jahr, aber immer wieder eine solche Kur, manchmal auch auf die Milch-Semmelkur verzichtend, in der Hoffnung auf schnelleres oder tieferes Erleben. Nicht immer gelang das, und so ließ ich es irgendwann bleiben: zu mühsam aber auch zu massiv und extrem hatte sich das manchmal angefühlt.
Nun, im sechsten Lebensjahrzehnt, wird manches anders, manches ist nicht mehr passend, auch wenn ich mich noch so hartnäckig weigere, das zu glauben (und es auch ein paar Mal trotzdem versuche). Und da traf es sich gut, dass Angelika sowieso immer schon der Meinung war, dass meine ruppige Art mit mir doch eher einer sanfteren weichen sollte. Als ich mich dann wieder einmal nach einer spirituellen Fastenerfahrung sehnte, fiel mir ein Begriff ein, den ich bisher ignoriert hatte: “Suppenfasten”. Das war natürlich das genaue Gegenteil der Radikalkur, die ich bisher für das Allein-Seligmachende gehalten hatte. Ob’s funktionieren könnte war ich mir nicht sicher, aber: nutzt’s nix, schadt’s nix, dachte ich. Nun: tatsächlich ist es eine unglaublich gute Erfahrung — nicht so schnell, nicht so extrem, sondern sanft und behutsam; sehr alltagstauglich und locker auch mehrere Wochen möglich (bis zu drei seien problemlos möglich). Die (Kalorien-)Mengen, die man zu sich nimmt, entsprechen in etwa (je nach Suppe) denjenigen von 2 “Kursemmeln” mit Milch in der Mayr-Kur. Also schon auch Fasten, mit den gleichen Resultaten wie oben beschrieben. Kein Klettern in Eis und Fels. Ein Spaziergang, eine Wanderung über sanfte Hügel.
Suppen: abwechslungsreich, vegetarisch, frisch zubereitet, herrlich schmeckend
Wer es genau wissen will, möge sich eine Anleitung dazu anschauen: ich hab das kleine Büchlein “Suppenfasten” von Ralf Moll in die Hand bekommen (aus meiner Wiener Bücherei) und war sofort motiviert: so einfach und schnell gemacht sind die meisten Rezepte (drei Zutaten, in einer Viertelstunde zubereitet). Wirklich erstaunt waren wir aber dann über die Suppen selbst: das ist keine Schonkost sondern das sind “ganz normale” Suppen. Allerdings natürlich, das ist wesentlich, Basensuppen und damit genau das, was man beim Fasten braucht. Ein simpler 10-Tagesplan (davon 6 Suppentage) und 45 Rezepte zum Austauschen oder Auswählen. Grandios! Drei verschiedene Suppen an jedem Tag. Drei Geschmäcker. Und dreimal etwas Warmes im Bauch!!
Aus den eigenen Vorräten
Die meisten Rezepte bestehen aus Zutaten, die oftmals vorhanden sind. Kartoffeln, Karotten (beides aus dem Garten), Zwiebeln (ja!), Bohnen, Karotten, Rohnen. Damit sind viele Essen ein Gruß aus dem sommerlichen Garten. Bohnen oder Kichererbsen aus unseren Urlauben bringen ganze Fahrten wieder in Erinnerung.
Jetzt im Winter halt ein bisschen vom Gemüsehändler dazu, das ist aber eher eine Zugabe.
Geschickt
Fertige Gemüsesuppe ist immer die Basis — hier gibt es ja hervorragende ohne irgendeinen Zusatz. Es gibt zwei Grundsuppen — eine rote und eine grüne. Für jede gibt’s auch Ideen für Variationen, so werden plötzlich 15 verschiedene Suppen daraus. Die Rezepte sind für eine Person berechnet und großzügig bemessen, an der doppelten Menge essen wir zwei gut drei Mal. Das kommt dann in den Kühlschrank und kann im Rest der Woche wieder durchgewechselt werden.
Mit Augenmaß
Natürlich sind die Grundregeln fürs Fasten einzuhalten: kein Alkohol, kein Kaffee, viel (Wasser) trinken, viel Tee. Auch hier wird man gut begleitet. Glaubern wird nicht empfohlen aber Brottrunk als sanfteste Alternative vorgeschlagen.
Die Smoothies und entsafteten Gemüsedrinks haben wir durch Fruchtsaft ersetzt: weniger Aufwand, immerhin machen wir das ja während der Arbeitszeit.
Aber man kann schon manchmal eine kleine Ausnahme machen. Sagte damals mein Fastenarzt, als er selber gerade eine Kur machte, mit einem kleinen Glas Rotwein in der Hand.
Für mich ist das hin und wieder a Schalele Kaffee. Mit neuem, ungekannten Genuss bei jedem einzelnen Schluck.